Bündnisversammlung traf sich zu Rückblick, Wahl und Ausblick
Regensburger Initiative „Keine Bedienung für Nazis e.V.“ gibt Tipps
Bündnisaktive gründeten Bildungsverein
17 Seiten vollgepackt mit Veranstaltungen, Aktionen, Leserbriefen, Pressemitteilungen, Stellungnahmen und die Chamer Erklärung. Obendrein haben noch Aktive des Bündnisses einen Bildungsverein gegründet. Die Besucherinnen und Besucher der großen Bündnisversammlung aus den verschiedenen Teilen des Landkreises trauten ihren Augen kaum angesichts der Fülle an Aktivitäten in 30 Monaten und das, obwohl Corona viele Aktionen in Innenräumen ausbremste.
Das Bündnis für Toleranz und Menschenrechte im Landkreis Cham www.cham-gegen-rechts.de traf sich vor kurzem zu einer ersten Präsenzveranstaltung. Dabei blickten die Anwesenden nicht ohne Stolz auf die vergangenen zweieinhalb Jahre zurück. „Wir haben etwas bewegt im Landkreis Cham und wir haben als Team agiert“, so Marian Janka, einer der Sprecher. Ende September 2019 war das Bündnis ins Leben gerufen worden, um den rechten Gruppierungen im Landkreis Cham nicht nur eine tolerante und weltoffene Haltung entgegenzusetzen, sondern sich auch öffentlich gegen diese Umtriebe zu positionieren. Sabine Ebert blickte als Sprecherin auf die Höhepunkte zurück. „26 Veranstaltungen haben wir in diesem Zeitraum organisiert oder daran teilgenommen“. Wir sind teilweise angefeindet worden, haben aber auch viel Anerkennung für unsere Arbeit bekommen“, stellte sie fest. Dabei sei es dem Bündnis wichtig gewesen, nicht nur auf Probleme aufmerksam zu machen, sondern aktiv an einer solidarischen Gesellschaft im Landkreis mitzuarbeiten. So sei das Coronahilfenetzwerk aufgebaut worden und viele Kontakte zu vermeintlichen Randgruppen geknüpft worden, deren Anliegen im Landkreis Cham nicht so deutlich im Focus stehen. Als absolut positiv sei die konstruktive und produktive Zusammenarbeit im Sprecher:innenkreis hervorzuheben. Diese ermöglichte es, in kurzer Zeit zum Beispiel die Chamer Erklärung ins Leben zu rufen und bis heute über 1600 Unterzeichnende zu gewinnen. Die Chamer Erklärung, die sich gegen die Vereinnahmung von Spazierengehenden durch Coronaleugner und rechte Gruppierungen ausspricht, kann weiterhin online auf change.org unterzeichnet werden.
Hütter des Feuers
Ein Teilnehmer der Versammlung brachte es für die mittlerweile über einhundert im Emailverteiler des Bündnisses eingetragenen Personen auf den Punkt. Er dankte dem siebenköpfigen Sprecher:innenKreis für das Engagement und stellte fest: „Toll, dass Leute wie ihr da seid, um das Feuer der Toleranz und Solidarität zu hüten“.
Marian Janka berichtete, dass im November 2021 ein Bildungsverein für Toleranz und Menschenrechte im Landkreis Cham ins Leben gerufen wurde, der als gemeinnützig anerkannt ist. Der Verein verfolge die Zwecke der Jugend- und Erwachsenenbildung, fördere die Toleranz und Völkerverständigung und organisiere zu diesem Zweck geeignete Seminare, Bildungsveranstaltungen und -materialien. Die Finanzierung soll vor allem über Spenden und freiwillige Beiträge erfolgen. Diese Bildungsarbeit im Landkreis Cham könne konkret mit Spenden unterstützt werden.
Sprecher Christian Oberthür legte der Versammlung auch die konkreten Kassenbewegungen in den vergangenen 30 Monaten vor, die mit einem Bestandsplus von 360,90 Euro überschaubar sind. Die Kassenrevision bescheinigte die gute Kassenführung.
Über die Homepage und die Facebookseite des Bündnisses können sich Interessierte über die Arbeit und aktuelle Veranstaltungen informieren und Kontakt zum Sprecher:innenKreis aufnehmen.
Interessante Projekte geplant
Bereits am 6.4. um 19.00 Uhr findet die nächste Bildungsveranstaltung statt, machte Sprecherin Sabine Schropp aufmerksam. Unter dem Titel „Wissen statt Angst“ und in Kooperation mit der VHS informieren zwei Hausärztinnen und eine Kinderärztin über aktuelle Themen rund um Corona. Zu dieser kostenfreien Onlineveranstaltung kann man sich unter www.vhs-cham.de anmelden. Es besteht die Möglichkeit, vorab Fragen an die im Landkreis Cham praktizierenden Ärztinnen zu stellen, aber auch während der Veranstaltung.
Geplant sei ferner ein Workshop zur Erinnerungskultur in Cham. Hier gebe es bereits viele Ideen, wie dieses komplexe Thema innovativ und pädagogisch ansprechendend gestaltet werden könne. „Auf jeden Fall ein Langzeitprojekt“, stellte Sabine Schropp klar.
Sprecher:innenKreis neu gewählt
Marian Janka leitete nun zur Neuwahl des Sprecher:innenKreises im Bündnis über. Eine konsensorientierte Arbeitsweise habe bisher das Gremium geprägt, das eine Richtgröße von 10 Personen haben solle. Erfreulicherweise haben einige Personen ihre Bereitschaft bekundet, neu im Sprecherkreis mitzuarbeiten. Diese sind Achim Deufel, Ruth Meissner, Marina Schmid und Sabine Schropp, so dass zusammen mit Sabine Ebert, Julia Eder, Marian Janka, Christian Oberthür und Claudia Zimmermann ein Team bereitstehe, das mit Begeisterung und Ideenreichtum die geplanten Aktionen angehen werde. Die Versammlung war mit diesem personellen Angebot zu 100 Prozent einverstanden. Janka dankte ganz besonders Marius J. Brey, Andrea Leitermann und Pat Brüsemeister, die in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren im Sprecher:innen Kreis wichtige Impulse gesetzt haben, aus beruflichen und zeitlichen Gründen aber nun kürzertreten müssen.
Gegenkultur aufbauen
Mitarbeiter:innen in der Gastronomie vor gewalttätigen Angriffen schützen und Rassismus den öffentlichen Raum nehmen. Das waren die beiden Hauptbeweggründe, warum 2010 in Regensburg die Initiative „Keine Bedienung für Nazis e.V. gegründet wurde. Vorangegangen war ein brutaler Angriff auf einen Barkeeper, der sich schützend vor eine farbige Frau mit Kind gestellt hatte und die üblen Beleidigungen von Neonazis entschieden zurückwies. Helga Hanusa und Jürgen Cieslik berichteten eindrucksvoll von diesem schlimmen Vorfall und der darauf aber folgenden Solidarität unter vielen Regensburger Gastronomen. Diese wollten ihre Mitarbeitenden schützen, aber auch ein Zeichen gegen die damals offen auftretenden Neonazis in Regensburger Kneippen setzen. Die beiden Referenten berichteten von vielen Gesprächen, in denen Überzeugungsarbeit geleistet werden musste. Diese Arbeit musste offen, höflich und diskret erfolgen, aber immer mit dem Ziel, Wirte davon zu überzeugen, dass auch Gastronomen für ein gesellschaftliches Klima mit verantwortlich sind, in dem Rassisten und Nazis öffentlich agieren können. Innerhalb kurzer Zeit sei es gelungen 85 Gastronomen zu bewegen, eine Erklärung zu unterzeichnen und Aufkleber „Keine Bedienung für Nazis“ sichtbar in ihren Lokalen anzubringen. Der stete Kontakt mit den Wirten sei notwendig. So habe man neben den Gesprächen auch Mustermietverträge angeboten und eine Broschüre erarbeitet. Wichtig sei im Gespräch zu bleiben und über die zerstörende Wirkung der Rechten auf die Demokratie aufzuklären. Wenn in einer Gemeinde im ländlichen Raum das einzige Dorfwirtshaus betroffen sei, sei ein erhobener Zeigefinger wenig hilfreich. Die Empfehlung war, eine Gegenkultur z.B. mit informativen Veranstaltungen wie einem Kinoabend vor Ort, aufzubauen. „Wo Toleranz, antirassistische und antisemitische Gesinnung auch im öffentlichen Raum aktiv gelebt und eingefordert werden, haben es menschenverachtende Parolen schwerer“, so die Einschätzung der Referenten.
Foto: Helga Hanusa und Jürgen Cieslik stellten die Regensburger Initiative „Keine Bedienung für Nazis e.V.“ vor.